Beratung in Not: Diakonisches Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V. startet landesweite Protestaktion

Gruppenbild Aktionsstart Beratung in NotOliver Borchert

Das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V. hat am heutigen Donnerstag in Schwerin den Auftakt zur landesweiten Aktion „Beratung in Not. Menschen in Krisen nicht allein lassen“ gemacht.

Ziel ist es, mit Bannern und Postern in ganz Mecklenburg-Vorpommern auf die prekäre Situation der Beratung aufmerksam zu machen. „Damit soll auch für die Menschen vor Ort erkennbar werden: Eure Beratung ist in Not“, sagte Landespastor Paul Philipps bei der Vorstellung der Banner in Schwerin. Und die Zeit drängt: „Für unsere Mitglieder ist bis heute noch komplett offen, mit welcher finanziellen Förderung sie für die Beratungsangebote im kommenden Jahr planen können. Das bereitet uns große Sorgen um der Menschen willen, die auf diese Beratungsangebote angewiesen sind. Dieser Sorge geben wir heute erneut Ausdruck“, betonte der Landespastor. Betroffen sind unter anderem um die Allgemeine Soziale Beratung, die Ehe-, Familien- und Lebensberatung, die Sucht- und Schuldnerberatung.

Mit Inkrafttreten des zweiten Teils des Wohlfahrtsfinanzierungs- und Transparenzgesetzes (WoftG M-V) am 1. Januar 2022 überträgt das Land die Verantwortung für die Beratung an die Kommunen und stellt nur noch so viel finanzielle Mittel zur Verfügung, wie die Kommunen ihrerseits aufbringen. „Ob die Menschen in unserem Land mit ihren Sorgen und Nöten weiterhin eine wohnortnahe Beratungsstelle aufsuchen können, darf nicht von der Kassenlage der Kommunen abhängen“, betonte Henrike Regenstein, Vorständin des Diakonischen Werkes. Zudem brauche es Regelungen, die sicherstellen, dass die Finanzierung der vorhandenen Strukturen nicht kurzfristig wegbricht, sondern vielmehr die vorhandenen Beratungsangebote auch im kommenden Jahr mit den derzeitigen Landesmitteln für die Menschen gesichert seien.

Stiftsprobst Jürgen Stobbe, Geschäftsführer der Diakonie Westmecklenburg-Schwerin unterstrich, wie wichtig es sei, dass Menschen in Krisen zeitnah und wohnortnah Hilfe finden. „Die Beratung eröffnet unseren Klienten eine Chance, ihre prekäre persönliche Situation zu überwinden. Deshalb ist Beratungsarbeit eine sozial sinnvolle und notwendige Aufgabe, mit der die Gesellschaft Verantwortung für diejenigen übernimmt, die in Not geraten sind.“

Dabei ist die Situation bereits heute vielerorts angespannt. Kirsten Balzer, Geschäftsführerin des Diakoniewerks im nördlichen Mecklenburg, verweist darauf, dass Klienten schon jetzt mehrwöchige Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Wer zu uns in die Ehe-, Familien- und Lebensberatung oder die Schuldnerberatung kommen möchte, muss bis zu zehn Wochen warten. Für Menschen, die sich in einer Krise befinden, ist dies eine sehr lange Zeit.“ Kirsten Balzer befürchtet, dass sich die Wartezeiten ab dem kommenden Jahr verlängern.

In einer besonderen Situation befinden sich dabei Städte wie Rostock und Schwerin. Hier ist der Anteil armer und armutsgefährdeter Menschen deutlich höher als im Durchschnitt des Landes. „Schwerin nimmt mit einer Kinderarmutsquote von über 25 Prozent bundesweit einen traurigen Spitzenplatz ein. Leider sind solche Daten in den Berechnungen des Gesetzes bisher nicht berücksichtigt“, sagte Olaf Hagen, Geschäftsführer der Sozial-Diakonischen Arbeit - Evangelische Jugend. „Außerdem werden die Lebensrealitäten der Menschen beim Zuschnitt der Beratungslandschaft nicht angemessen berücksichtigt.“ So dürften Ratsuchende aus dem direkten Schweriner Umland, die in der Landeshauptstadt berufstätig sind, hier keine Beratungsangebote nutzen.

Auch der Suchtberatung drohen Kürzungen. Die Förderung der Sucht- und Drogenberatungsstellen in Mecklenburg-Vorpommern liege im Durchschnitt leider immer noch unter 80 Prozent, sagte Katrin Kuphal, Geschäftsführerin der Evangelischen Suchtkrankenhilfe Mecklenburg-Vorpommern gGmbH. „Es gilt in unserem Land 26 Suchtberatungsstellen mit kleineren Nebenstellen zu erhalten. Schon jetzt sind die Berater und Beraterinnen am Limit“, betonte Katrin Kuphal. „Durchschnittlich leistet jeder von ihnen etwa 1.000 Gesprächskontakte im Jahr. Rund 10.000 Menschen werden jährlich in unseren Beratungsstellen betreut. Mehr ist nicht drin.“  Es brauche eine verlässliche, bedarfsgerechte Finanzierung mit Dynamisierung der Sucht- und Drogenberatungsstellen. Die Geschäftsführerin forderte transparente und gleichberechtigte Verhandlungen zwischen dem Land und den Kommunalvertretenden und wünscht sich auch die Einbeziehung von Trägern, wenn es um die Perspektiven von Beratungsstellen geht.

Für die nächste Legislatur fordert das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V. die Ablösung des zweiten Teils des WoftG durch ein Beratungsgesetz, das für alle Beratungsarten Versorgungsschlüssel, fachliche Standards, eine Verpflichtung zur Sozialplanung der Kommunen, eine angemessene Finanzierung und die Deckelung der Eigenanteile der Träger auf maximal fünf Prozent festschreibt.

Das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e. V. (Landesverband) ist mit über 15.500 hauptamtlichen und über 2.200 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen in rund 1.000 gemeinnützigen Einrichtungen und Diensten einer der größten Wohlfahrtsverbände in Mecklenburg-Vorpommern. Das Betätigungsfeld reicht u. a. von der Kinder- und Jugendhilfe, der Familien- und Altenhilfe über vielfältige Beratungs- und Behandlungsangebote, der Gefährdetenhilfe und Behindertenhilfe bis hin zu den Freiwilligendiensten und der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e. V. ist ein rechtlich selbstständiges Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche).


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