„Das System droht, völlig zu versagen“

Tag der Pflege Diakonie MV

Immer mehr Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste finden nicht genug Personal. Die verbleibenden Mitarbeitenden kämpfen täglich mit höheren Anforderungen und einer wachsenden Bürokratie, sind dauerhaft überlastet und werden häufiger und länger krank. Das führt dazu, dass Angebote eingeschränkt werden müssen. Pflegebedürftige Menschen geraten durch die stetig steigenden Kosten für ihre Pflege und Betreuung an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten oder können Leistungen nicht mehr in dem Umfang in Anspruch nehmen, wie sie es eigentlich brauchen oder wollen. Zu diesem dramatischen Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage der Diakonie Deutschland und des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (siehe Hintergrund).
„Der Zustand des Pflegesystems ist alarmierend. Die wertvolle Arbeit in der Pflege wurde über Jahrzehnte schlecht geredet und auf dem Rücken der Pflegekräfte kaputtgespart. Das System droht, vollständig zu versagen“, sagt Henrike Regenstein, Vorstand des Diakonischen Werkes Mecklenburg-Vorpommern e.V., am heutigen Internationalen Tag der Pflege. „Wir müssen wieder vor die Krise kommen. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie eine Pflegeversicherungsreform auf den Weg bringt, die ihren Namen verdient. Denn das was bisher vorliegt, wird die Probleme nicht einmal verringern.“
„Die Mitarbeitenden in unseren diakonischen Pflegeeinrichtungen und -diensten wünschen sich, dass sie mehr Zeit für ihre Klient:innen haben. Zeit für ein Gespräch, um zuzuhören, für einen Spaziergang. Nach unserem Verständnis ist es nicht mit waschen, essen, Medikamente anreichen, getan.“ Bei Vielen macht sich inzwischen Resignation breit. Wurde am Anfang der Corona-Pandemie noch geklatscht, fehlt es ihnen inzwischen an Anerkennung und Wertschätzung. Es hat sich in den vergangenen Jahren der Eindruck festgesetzt, dass Politik und Kostenträger, diejenigen im Stich lassen, die am Pflegebett die Arbeit leisten.“
Nach wie vor schenkt die Bundesregierung der Pflege – insbesondere der Langzeitpflege – nicht die angemessene und notwendige Aufmerksamkeit. Dies muss sich im Sinne einer langfristigen Versorgungssicherheit zwingend ändern. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre eine gesicherte Finanzierung der Pflege durch dauerhafte, steuerfinanzierte Bundeszuschüsse sowie eine regelmäßige Anpassung der Pflegeversicherungsleistungen. Aber für Mecklenburg-Vorpommern ist es zu wenig, auf den „großen Wurf“ aus Berlin zu warten. Es braucht jetzt und hier eine Landesregierung, die sich zusammen mit anderen Akteur:innen an allen Tagen des Jahres für die Stärkung und Aufwertung des Pflegeberufes einsetzt und bei einer zukunftsfähigen Umgestaltung der Pflege verbindlich an der Seite der innovativen Kräfte im Land ist.


Hintergrund: Eine bundesweite Umfrage der Diakonie Deutschland und des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) ergab:
Die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege ist akut gefährdet. Mehr als Zweidrittel der Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in der Diakonie (76 Prozent) mussten in den vergangenen sechs Monaten bereits Leistungen auf Grund von Personalmangel sowie wegen kurz- und langfristigen Erkrankungen von Mitarbeitenden einschränken. In der stationären Pflege konnten 72 Prozent der Träger Leistungen nicht erbringen. Dies betrifft vor allem die Neubelegung freier Betten. Die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege ist noch pre-kärer: 89 Prozent der Dienste mussten in den letzten sechs Monaten Neukundinnen ablehnen und 29 Prozent konnten im selben Zeitraum Leistungen von Bestandskunden nicht aufsto-cken. Als Hauptgrund wird auch hier fehlendes Pflegepersonal genannt. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) und der Diakonie Deutschland unter mehr als 600 ihrer Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in ganz Deutschland hervor.